Sexualstrafrecht Allein dem Verdacht einer Sexualstraftat ausgesetzt zu sein, wiegt schwer. Denn allein, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer solchen Straftat eingeleitet wird, hat das häufig erhebliche private und nicht selten berufliche Konsequenzen. Deswegen ist es in einem solchen Fall wichtig, so schnell wie möglich die Unterstützung von einem Strafverteidiger bzw. Rechtsanwalt für Strafrecht in Anspruch zu nehmen. Rechtzeitige professionelle Unterstützung kann helfen, die Folgen eines solchen Vorwurfs möglichst gering zu halten. Wird Ihnen eine Sexualstraftat zur Last gelegt? Benötigen Sie professionelle Unterstützung durch eine Fachanwältin für Strafrecht, die über Erfahrung und das notwendige Fingerspitzengefühl im Sexualstrafrecht verfügt? Kontaktieren Sie mich unter 089/5419 400-50! Straftaten im Sexualstrafrecht Das Sexualstrafrecht kennt etliche Straftatbestände, die je nach Schwere des Tatvorwurfs mit geringen Strafen, aber durchaus auch mit empfindlichen Freiheitsstrafen geahndet werden. Außerdem unterscheidet das Sexualstrafrecht nach Straftaten gegenüber Kindern und Jugendlichen und gegenüber Erwachsenen. … gegenüber Erwachsenen Seit einer Reform des Strafrechts ist die Grenze zu einer Sexualstraftat teilweise deutlich schneller überschritten als noch vor einigen Jahren. Die wesentlichen Sexualstraftaten gegenüber Erwachsenen sind u.a.: sexuelle Belästigung (§ 184i StGB) Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB) sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB) sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 StGB) … gegenüber Kindern & Jugendlichen Zu den Sexualstraftaten gegenüber Kindern und Jugendlichen zählen unter anderem diese Straftatbestände: sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) sexueller Missbrauch von Kindern („Kindesmissbrauch“, § 176 StGB); schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176a StGB); sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB) sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b StGB) Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften („Kinderpornographie“, § 184b StGB); Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften („Jugendpornographie“, § 184c StGB) Allgemeine Informationen zum Sexualstrafrecht Im Sexualstrafrecht werden Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person unter Strafe gestellt. Dabei kommt es gerade im Sexualstrafrecht oftmals auf Details an, die darüber entscheiden, ob eine Handlung strafbar ist oder nicht. Mitunter entscheiden Nuancen im Gesamtkomplex bzw. im Geschehensablauf darüber, welcher Straftatbestand erfüllt ist, und damit auch darüber, welcher Strafrahmen zur Anwendung kommt. Aus diesem Grund habe ich Ihnen nachfolgend einige Informationen zusammengestellt, die einen Überblick verschaffen, welche Situationen ggfs. sexualstrafrechtliche Folgen haben können. „Nein heißt nein“ im Sexualstrafrecht Inhaltlich bedeutet das, dass ein „nein“ im sexuellen Kontext als „nein“ akzeptiert werden muss. Sobald sich jemand über den erkennbaren und ernsthaft geäußerten Willen eines anderen hinwegsetzt, das „nein“ also nicht als „nein“ akzeptiert, macht er sich nach Vorschriften des Sexualstrafrechts strafbar. Der entgegenstehende Wille muss hierbei nicht als „Nein.“, „Lass das.“, „Ich will nicht.“, „Hör auf.“ oder ähnliches, also nicht explizit verbal geäußert werden. Der entgegenstehende Wille kann auch durch Weinen, Wegschieben der Hand oder des Körpers des anderen etc. (sog. konkludentes Verhalten) gezeigt werden. Auch wenn der/die Geschädigte mitgeteilt hatte, dass er/sie über eine bestimmte sexuelle Handlung nicht hinausgehen will, macht sich derjenige strafbar, der diese gesetzte Grenze nicht einhält. Sagt die Frau beispielsweise bei einem Date „Aber nur küssen.“, macht der Mann sich strafbar, wenn er beim Küssen die Brust und/oder das Gesäß der Frau berührt, streichelt, drückt oder ähnliches. Drohung oder Gewalt Eine Strafbarkeit ist natürlich erst recht gegeben, wenn man nicht nur seinen eigenen Willen bei sexuellem Kontakt über den des anderen setzt, sondern diesen mittels einer Drohung oder mit Gewalt dazu bringt bzw. zwingt, die sexuellen Handlungen zu dulden oder eine solche an dem anderen vorzunehmen. Zwingt ein Mann eine Frau beispielsweise zum Oralverkehr, indem er ihren Kopf trotz Gegenwehr mit Kraft nach unten in Richtung seines Geschlechtsteils drückt, macht er sich strafbar. Das gilt auch dann, wenn die Frau genitalem oder analem Geschlechtsverkehr zugestimmt hat. Zurückgenommenes Einverständnis Auch ist jede Person beim Sex berechtigt, ein zuvor erklärtes Einverständnis wieder zurückzunehmen, sich also umzuentscheiden und den Sex als solches oder einzelne Praktiken beim Sex abzulehnen. Wer das nicht akzeptiert und körperlich versucht, den anderen dazu zu bringen, doch dem ursprünglichen Plan entsprechend sexuelle Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen, macht sich strafbar. Ausnutzen von widerstandsunfähigen Personen Strafbar macht sich auch, wer eine Lage ausnutzt, in der ein anderer – körperlich oder psychisch bedingt – keinen eigenen Willen bilden bzw. sich nicht gegen unerwünschte sexuelle Handlungen zur Wehr setzen kann. Wer kein Strafverfahren wegen „sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger“ gegen sich geführt wissen möchte, sollte besser keine sexuellen Handlungen an jemandem vornehmen und durch jemanden an sich vornehmen lassen, der zuvor im Übermaß Alkohol und/oder Drogen bzw. K.O.-Tropfen (GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) bzw. GBL (Gamma-Butyrolacton), bekannter als Liquid Ecstasy, Liquid X, Gamma, Fantasy, Liquid E) konsumiert hat. Auch geistig Behinderte können unter Umständen Tatopfer dieses Delikts sein. Überraschende sexuelle Handlungen Wer „überraschend“ sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt, macht sich ebenfalls strafbar. Oftmals handelt es sich hierbei um Taten einer fremden Person in der Öffentlichkeit, beispielsweise wenn jemand in einer vollen U-Bahn einen anderen betatscht, also z.B. unvermittelt einer Frau an die Brust, an den Po oder zwischen die Beine fasst. Noch ein Beispiel aus der Praxis: Eine Frau übernachtet bei einem Mann. Die beiden haben zuvor einen schönen Abend miteinander verbracht, einiges an Alkohol konsumiert, sich geküsst. Er wollte mit ihr schlafen, sie wollte das nicht, erst nach weiteren Dates. Nach einigem Hin und Her stimmt sie dem oralen Geschlechtsverkehr zu. Danach verfällt sie stark alkoholisiert und extrem müde in Tiefschlaf. Der Mann hingegen kann nicht einschlafen. Er will nach wie vor Sex mit ihr. Gedacht, getan. Er legt sich hinter sie und dringt vaginal in sie ein. Während sie weiterschläft, hat er – zunächst von ihr unbemerkt – Sex mit ihr, dann erwacht sie, äußert, dass sie das nicht will, er hört sofort auf. Strafbar? Aber natürlich! Da die Frau früher am Abend geäußert hatte, nicht mit ihm schlafen zu wollen, durfte er sich über diesen Willen nicht hinwegsetzen. Die Frau hat ihr „nein“ zum Sex praktisch mit in den Schlaf genommen. Dass der Mann dann sofort aufhörte, als sie in der Situation nochmals explizit „nein“ gesagt hat, ändert an der Strafbarkeit der Handlung nichts. Kernfragen im Sexualstrafrecht Verfahrensrelevant ist auch der Umstand, dass es sich im Sexualstrafrecht zumeist um Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen handelt und es keine weiteren Beweismittel gibt. Natürlich ist stets der Einzelfall zu prüfen. Relevant sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung, ob dem vermeintlichen Täter oder dem vermeintlichen Opfer zu glauben ist, nicht abschließend aufgelistet folgende Punkte: Wie ist die Aussage entstanden? Wie kam es zur Strafanzeige? Ist das vermeintlich missbrauchte Opfer gleich nach der angeblichen Tat zur Polizei gelaufen und hat eine Anzeige erstattet oder wurde es nach mehreren Tagen oder gar Wochen so verhaltensauffällig, dass ein Familienangehöriger, Freund oder Arbeitskollege mehrfach nachfragte, was die Verhaltens- oder Wesensveränderung herbeigeführt hat, und überredete dann das Opfer zur Strafanzeige? Bleibt die Aussage der betroffenen Person konstant? Schildert das vermeintliche Opfer das Kerngeschehen bei seinen Aussagen (der Strafanzeige bei der Polizei, einer späteren Zeugenvernehmung durch die Polizei, im Rahmen der ermittlungsrichterlichen Vernehmung und ggf. in der gerichtlichen Hauptverhandlung) im Wesentlichen gleich oder ergeben sich relevante Widersprüche oder Abweichungen? Wie ist die Qualität der Aussage hinsichtlich Detailreichtum, Plausibilität und Widerspruchsfreiheit? Schildert das vermeintliche Tatopfer Untypisches, Überraschendes, eigene psychische Vorgänge und Aktionen und Reaktionen? Sind objektive Beweismittel vorhanden? Das können DNA-Spuren des vermeintlichen Täters sein, typische blaue Flecke z.B. im Innenbereich der Oberschenkel o.ä., Abwehrverletzungen etc. Stehen Nachbarn als Zeugen zur Verfügung, die laute „Nein!“-Schreie vernommen haben, oder eine Freundin, der das Geschehen im Nachgang von der vermeintlich Geschädigten berichtet wurde? Oftmals sind es auch die Täter selbst, die zu ihrer späteren Überführung beitragen, indem sie die Geschädigte nach der Tat per WhatsApp anschreiben und das Geschehen (inhaltlich zunächst bestätigend) bagatellisieren. Gibt es ein Motiv für die Falschbelastung? Ist die vermeintlich Geschädigte die Ex-Freundin, die rasend vor Eifersucht ist, weil der Mann sich einer anderen zugewandt hat? Ist der vermeintliche Täter finanziell sehr wohlhabend, und die vermeintlich Geschädigte begehrt ein hohes Schmerzensgeld, womöglich verbunden mit dem Angebot, für den Fall der Zahlung die Anzeige zurückzunehmen oder sich als Verlobte auszugeben und als solche von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen? Hat der vermeintliche Täter einvernehmlich mit dem angeblichen Tatopfer geschlafen und ihm erst danach mitgeteilt, dass er auf keinen Fall eine Beziehung mit ihm wolle, sondern das sexuelle Erlebnis für ihn nur etwas für eine Nacht war? Zeigt die vermeintlich Geschädigte starken Belastungseifer oder werden einzelne Sachverhalte auch zugunsten des vermeintlichen Täters geschildert? Gibt es suggestive Einflüsse von außen, die die Aussage der vermeintlich Geschädigten beeinflusst haben könnten? Verfahren im Sexualstrafrecht Prozessual ist festzustellen, dass Strafverfahren im Sexualstrafrecht nicht selten mit einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO im Vorverfahren enden, weil relativ häufig ein Tatnachweis nicht mit der erforderlichen Sicherheit geführt werden kann. Auch endet ein Hauptverfahren nach der Beweisaufnahme mit einem Freispruch, wenn das Gericht begründete Zweifel daran hat, dass der Angeklagte die Tat begangen hat. Häufig spielt dabei die Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens eine Rolle, manchmal steht auch infrage, ob der entgegenstehende Wille ernsthaft geäußert wurde, der vermeintliche Täter das „nein“ also tatsächlich für ein „nein“ halten musste. Mitunter gebietet es die Aufklärungspflicht des Gerichts, zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage des/der vermeintlich Geschädigten ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Häufig werden Gutachter eingeschaltet, wenn das vermeintliche Tatopfer minderjährig ist. Berna Behmoaram Rechtsanwältin, Strafverteidigerin, Fachanwältin für Strafrecht mehr erfahren